Dienstag, 21. Februar 2012

Umweltverschmutzung durch Betonfließmittel

Bildbeispiel: Betonfließmittel
Der Fahrer eines Betonmischers wird über die Zusammensetzung von Komponenten des Betons in seinem Fahrmischer häufig nur unzureichend bis garnicht informiert. Woher soll er auch das Wissen nehmen, für das eigentlich die Laboranten zuständig sind? Und doch, wäre unsere Umwelt mit etwas mehr Aufklärung seitens der Baustoffkonzerne nicht ein wenig besser dran?

Um die Qualität des Betons nicht durch die nachträgliche Zugabe von Wasser an den Baustellen zu beeinträchtigen, werden Zusatzmittel wie Verflüssiger oder Fließmittel beigemischt. Beide haben die Eigenschaft, den Beton fließfähiger zu machen, ohne das korrekte Mischverhältnis bestehend aus Sand, Kies, Zement und Wasser, ändern zu müssen.
Fließmittel werden heute in nahezu allen Betonwerken und als Zugabe an den Baustellen eingesetzt und sind aus qualitätstechnischer Sicht, vorallem bei Fließbeton, unverzichtbar.
Natürlich hat Qualität auch seinen Preis, welcher dem Kunden weiterberechnet wird. Doch welchen Preis hat das für unsere Umwelt ? Welche Auswirkungen haben die Bestandteile des Fließmittels, zu denen Naphthalin-Formaldehyd-Sulfonate, Melamin-Formaldehyd-Sulfonate und in neueren Fließmitteln auch Polycarboxylate gehören ?
Mit der Frage der Umweltbelastungen beschäftigte sich das SCHWEIZER BUNDESINSTITUT FÜR TECHNOLOGIE und veröffentlichte die folgende Doktorarbeit in Sachen Naturwissenschaften.

Studie zu Umwelteinflüssen von Inhaltstoffen in Naphtalinsulfonaten
Naphthalinsulfonate und Naphthalinsulfonatformaldehydkondensate
(NSFK) sind Zivilisationschemikalien, welche aufgrund ihres ionischen
Charakters, ihrer Persistenz und ihrer weitverbreiteten Anwendung die
Gewässer verschmutzen. Sie werden vorwiegend in der Textilindustrie und
als Hochleistungsbetonverflüssiger im Bauwesen angewendet. Für beide
Anwendungen wird der weltweite Jahresverbrauch auf je 150'000 Tonnen
geschätzt. Das Umweltgefährdungspotential sulfonierter Naphthaline, die
in der Textilindustrie zum Einsatz kommen, wurde bereits eingehend
untersucht. Die Rolle der Bauindustrie als Quelle für NSFK in der Umwelt
ist jedoch noch weitgehend unbekannt. Der Schwerpunkt dieser Studie
besteht darin, das Umweltrisiko von NSFK aus der Bauindustrie zu
ermitteln. Da die moderne Bautechnologie vermehrt auf chemische Zusatzmittel
angewiesen ist und NSFK zu den meist angewendeten Betonzusatzmitteln
gehören, representiert diese Arbeit ein Musterbeispiel für die
Abschätzung des Umweltrisikos von polaren organischen Bauchemikalien
im Allgemeinen.
Eine analytische Methode zur Bestimmung von NSFK in Wasserproben
wurde entwickelt. Diese basiert auf synchroner Anregungsfluorimetrie mit
einem von 105 nm. Alle NSFK-Komponenten (Monomere und
Oligomere mit verschiedenen Kettenlängen) werden als Summenparameter
erfasst. Die Proben wurden dazu weder angereichert noch aufgetrennt.
Interferenzen durch Huminsäuren und Nitrat wurden nur bei
Konzentrationen über 1 mg C/L und 1 mg NO3
-/L beobachtet. Eine
mögliche Verstärkung des Fluoreszenzsignals durch Naphthalin wurde
durch das Extrahieren der Umweltprobe mit n-Hexan verhindert. Die
Nachweisgrenze der Methode beträgt 0.2 g/L.
An zwei Tunnelbaustellen wurden Feldstudien durchgeführt. Bei beiden
Baustellen wurden NSFK enthaltende Zementsuspensionen in den Grundwasserleiter
injiziert, damit der Schotter rundum den Tunnelquerschnitt
stabilisiert werden konnte. Das Grundwasser wurde während eines, bzw.
zweier Jahre überwacht. NSFK-Konzentrationen von bis zu 230 g/L
konnten in einem Abstand von 5-10 m zur Baustelle gemessen werden.
Die Konzentrationen von einigen NSFK-Komponenten in den
Grundwasserproben sanken schneller als aufgrund der Verdünnung des
VII
NSFK erwartet werden kann. Diese beschleunigte Abnahme wurde der
biologischen Transformation zugeschrieben. Dies konnte durch Bioabbauexperimente
im Labor bestätigt werden. Die Experimente zeigten, dass die
meisten NSFK-Monomere innert 195 Tagen abgebaut werden. Hingegen
sind Naphthalin-1,5-disulfonat und die NSFK-Oligomere persistent.
Im Grundwasser konnten NSFK-Komponenten mit Kettenlängen von eins
bis vier Einheiten gefunden werden. Ihre Migrationszeiten im Aquifer
waren unterschiedlich. Dieses Verhalten konnte mit Adsorptionsexperimenten
erklärt werden. Die Experimente zeigten, dass die
Adsorptionsfähigkeit der Oligomere mit zunehmender Kettenlänge
ansteigt. Oligomere mit Kettenlängen von mehr als vier Einheiten
adsorbieren innert wenigen Stunden zu mehr als 90 %. Daraus kann
gefolgert werden, dass sie stark an den Zement adsorbieren und daher nicht
ins Grundwasser ausgewaschen werden.
Basierend auf den Grundwasseruntersuchungen der zwei Feldstudien war
es möglich, die Massenflüsse dieser Baustellen zu berechnen. Die
Abschätzungen zeigten, dass ca. 5 % des eingesetzten NSFK ins
Grundwasser ausgewaschen wurde. Etwa 80 % davon können im
Grundwasserleiter biologisch abgebaut werden, 20 % jedoch bleiben im
Grundwasser. Untersuchungen an weiteren NSFK-Quellen zeigten, dass
auch NSFK von Baustellenabwässern und Abwässer von NSFK
Produzenten über Kläranlagen in die Umwelt gelangen können. Da
Naphthalin-1,5-disulfonat und die NSFK-Oligomere auch in adaptierten
biologischen Klärstufen nicht abgebaut werden, können sie die Kläranlage
unverändert passieren.
Die gemessenen Umweltkonzentrationen von NSFK dienten dazu, eine
Risikoabschätzung für NSFK im Grundwasser und in
Oberflächengewässern zu machen. Ein PEC/PNEC Verhältnis basierend
auf einem Worst-Case-Szenario war grösser als 1. Ein möglicher Umwelteinfluss
durch NSFK kann daher nicht ausgeschlossen werden.
Mit dieser Studie konnten die bauindustriespezifischen Quellen für NSFK
in der Umwelt bestimmt und das Schicksal und Verhalten von NSFK im
Grundwasser erforscht werden. Die Studie ist ein Beispiel für die Abschätzung
des Umweltgefährdungspotential von polaren organischen Bauchemikalien.

Damit ist eine Umweltgefährdung durch in Fließmitteln enthaltenen Stoffen nachgewiesen.
Jede Baustelle, an der unter diesen Kriterien fallendes Fließmittel verwendet wird, läuft also Gefahr, nach jedem Reinigungsvorgang eines Fahrmischers, schädliche Substanzen in den Boden zu bekommen, welche das Grundwasser konterminieren können. Fährt der Betonfahrer sein Mischfahrzeug ungereinigt zum Werk zurück, trägt er das eigene Risiko, Rückstände auf der Straße zu verlieren.
In dem Fall ist das ein Verstoß gegen die StVO §22 (1) Ladung: Die Ladung einschließlich Geräte zur Ladungssicherung sowie Ladeeinrichtungen sind so zu verstauen und zu sichern, dass sie selbst bei Vollbremsung oder plötzlicher Ausweichbewegung nicht verrutschen, umfallen, hin- und herrollen, herabfallen oder vermeidbaren Lärm erzeugen können. Dabei sind die anerkannten Regeln der Technik zu beachten.
Weiterhin besteht die Gefahr, während der Rückfahrt mit dem ungereinigten Fahrzeug auch das Grundwasser zu belasten.
Abhilfe schaffen könnte hier sicherlich eine Vorrichtung an allen Fahrmischerrutschen, die das Herabfallen von Rückständen verhindert. In vielen Werken sind diese Schutzsysteme bereits standart, andere Werke wiederum verzichten bewußt auf diese Systeme.
 
Doch auch nach Umsetzung aller möglichen Maßnahmen bleibt ein gewisses Restrisiko für unsere Umwelt bestehen. So wird z.B. nicht jedes Fundament vor dem Einbau des Betons mit Folie ausgekleidet.
Auch beim Auswaschen der Betontrommel im Werk fließt zwar das Brauchwasser in die werkseigene Kläranlage, es bleibt aber weiter konterminiert und wird wiederverwendet. Das Risiko, Grundwassergefährliche Stoffe im Beton zu haben, bleibt also auch an Baustellen bestehen, an denen kein Fließmittel zugegeben werden muß. Generell bleibt zu hoffen, das die Bauchemie in Zukunft neue Wege geht und von Stoffen wie Naphtalinsulfonaten absehen kann.
Allen Unbedenklichkeitsbescheinigungen der Zusatzmittel zum Trotz spricht die Doktorarbeit des Schweizer Bundesinstituts für Technologie nämlich eine andere Sprache. Naphtalinsulfonate wirken sich nachweisbar schwerwiegend auf die menschliche Gesundheit aus und jeder weiß das ein Überleben ohne Trinkwasser nicht möglich ist.
 
 

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